Wirtschaft

Massnahmenpaket zur Stärkung des schweizerischen Finanzsystems

Wortmeldung in der Ständeratsdebatte vom 9. Dezember 2008

Es wurde schon sehr viel gesagt, ich möchte mich auf zwei Punkte beschränken. Ich möchte als Erstes etwas zu den Ursachen dieser Krise sagen, also sozusagen noch etwas zur Analyse beitragen, und als Zweites möchte ich gerne einige Bemerkungen zur künftigen Ausrichtung des Schweizer Finanzplatzes, aber auch der internationalen Finanzarchitektur anbringen.

Zum ersten Punkt: 
Heute, im Rückblick, ist die Analyse, wie das verschiedentlich schon angetönt wurde, eigentlich relativ klar. Es geht mir darum, kurz einzuordnen, wo wir denn das heutige Hilfspaket in dieser Krise ansiedeln. Ich kann sehr kurz sein. Sie wissen, am Beginn war eine Immobilienblase in den USA. Billiges Geld, Verschuldungsmentalität sind die Stichworte. Man muss im Rückblick aber auch sagen: Es gab eine eigentliche Schuldentarnung durch verschachtelte Verbriefungen, die weder die Rating-Agenturen noch das Risikomanagement, noch die Regulatoren gesehen haben. Das hat in einer zweiten Phase zu einer Subprime-Krise geführt, die durch steigende Zinsen und gleichzeitig fallende Häuserpreise gekennzeichnet war, was zu massiven Wertverlusten und Abschreibungen geführt hat. In der dritten Phase – da wurde die Schweiz immer mehr tangiert – wurde daraus eine Bankenkrise, vor allem über die Abschreibungen, die massiv waren. Teilweise wurde die Krise auch durch die entsprechenden Rechnungslegungsprinzipien verschärft – ich erinnere an das Fair-Value-Prinzip -, es kam zu Vertrauensverlust, der Interbankenmarkt trocknete aus. Das hat dann in der vierten und jetzigen Phase eigentlich zum Übergang in eine globale Finanzkrise geführt, mit dem Risiko nicht mehr nur für den Bankenplatz oder für die Banken, für das weltweite Finanzsystem,sondern eben für die gesamte internationale Wirtschaft – also ein eigentliches Systemrisiko.

Ich sehe das Paket, das wir heute Morgen diskutieren – ich erspare Ihnen meine Detailbeurteilung jetzt -, genau an diesem Übergang zwischen Bankenkrise und Finanzkrise, wo die Systemrisiken dann eben auf die Realwirtschaft übertragen werden. Aus meiner Sicht ist es deshalb weniger ein Paket für die UBS als vielmehr ein Paket zum Stabilisieren, ein Paket zum Verhindern, dass die Bankenkrise immer mehr zu einer globalen Finanzkrise wird, die auch die Realwirtschaft massiv tangiert; also ein Paket primär im Interesse der Volkswirtschaft und nicht einer spezifischen Bank. Ich glaube, wenn man den Zyklus dieser Geschehnisse ansieht, wird das sehr deutlich. Es ist ein spätes Paket, ein Paket, das aber doch hoffentlich konsolidieren kann und – wenn auch zu hohen Kosten – verhindern kann, dass wir später, beim Reparieren, bei grossen Schäden der Volkswirtschaft noch grössere Kosten für die Allgemeinheit zu absorbieren hätten. So viel zur Analyse.

Es stellt sich damit zum Zweiten natürlich die Frage, was die Zukunft bringt. Es wurde hier von einem Paradigmenwechsel gesprochen. Welche Zukunft wird der Finanzplatz Schweiz, aber auch die internationale Finanzarchitektur angehen müssen? Hier zeichnet sich in Umrissen schon einiges ab. Ich würde gerne drei Punkte kurz erwähnen:

Für mich bleibt klar, dass der Banken- und Finanzplatz Schweiz auch in der Zukunft eine Plattform für dieses Land sein muss und deshalb gestärkt werden muss. Der Konzentrationsprozess im weltweiten Finanzsystem, der nun eingeleitet ist, seit Jahren läuft, hat sich aber dramatisch verstärkt. Der Wettbewerb wird in diesem Konzentrationsprozess weiter intensiv zunehmen. Wenn die Schweiz auch in zehn Jahren eine Plattform für internationale Finanzdienstleistungen sein will, dann muss sie ihre Hausaufgaben machen. Sie muss ihre Standortvorteile weiter ausbauen. Sie sind politischer, wirtschaftlicher, bildungspolitischer Art. Sie betreffen aber auch die Rechtssicherheit, das Bankkundengeheimnis und eine starke Finanzmarktaufsicht.

Ich möchte auch gleich hier schon sagen, dass man in der Zukunft sicher die spezielle Rolle der Schweizer Grossbanken im Verhältnis zur Schweizer Volkswirtschaft wird thematisieren müssen. Es gibt ja später noch Vorstösse dazu. Es ist so: Gemessen an der Bruttowertschöpfung und am Bruttoinlandprodukt hat der Schweizer Bankenplatz weltweit gesehen nach Luxemburg das grösste Gewicht gemessen an seiner Volkswirtschaft. Ich möchte davor warnen, zu schnelle, zu einfache Rezepte zu finden, wie sie etwa in den Vorschlägen zu einem Trennbankensystem zum Ausdruck kommen; ein Trennbankensystem, das in den USA mit dem Verschwinden der grossen Investmentbanken gerade jetzt aufgegeben worden ist.

Zu dieser Stärkung des schweizerischen Standortes gehört selbstverständlich auch, dass wir den teilweise hörbaren isolationistischen Tendenzen, den Tendenzen zur Abschottung der Märkte, nicht nachgeben dürfen. Im Gegenteil, Sie wissen es, wir werden im Februar des nächsten Jahres die Gelegenheit haben, im Bereich der Personenfreizügigkeit weitere Akzente für eine weltoffene Schweizer Volkswirtschaft zu setzen. Wir werden Freihandelsabkommen zügig behandeln müssen, wie beispielsweise dasjenige mit Japan. Die Schweiz wird hoffentlich auch auf einen Abschluss der Doha-Runde hinwirken. Eine weitere Öffnung ist das Richtige, sicher nicht eine Abschottung.

Ich komme zum letzten Punkt, zu einem kurzen Kommentar zur internationalen Finanzarchitektur. Kollege Dick Marty hat das G-20-Treffen schon angesprochen, an dem die Schweiz – ich sage es noch einmal – nicht dabei war, obwohl sie einer der grossen Finanzplätze der Welt ist. Und die G-20, wenn ich das richtig verstehe, hat sich vorgenommen – und da ergibt sich schemenhaft doch eine gewisse Zukunftsvision, die sich ablesen lässt -, mehr Transparenz und Verantwortung zu schaffen, vor allem für komplexe Finanzprodukte. Sie hat sich vorgenommen, falsche Anreize für solche Produkte zu vermeiden – das muss sicher ein wichtiger Teil dieser zukünftigen Architektur sein -, stärker zu regulieren und besser zu beaufsichtigen, vor allem auch die Rating-Agenturen, die Finanzmärkte und die Produkte. International muss und wird verstärkt kooperiert werden. Und schliesslich gibt es Reformen beim Internationalen Währungsfonds, aber auch bei der Weltbank, die auch die Position der Schweiz – nicht nur als Standort, sondern als international mitgestaltendes Land – durchaus tangieren. So ist in diesen letzten Tagen sehr intensiv, auch etwa von der EU-Präsidentschaft, die Forderung vorgetragen worden, dass die Schwellen- und die Entwicklungsländer, die grossen asiatischen Länder mit ihren Staatsfonds besser in die zuständigen Einrichtungen der internationalen Finanz-Governance eingebettet werden sollen. Das kann nichts anderes heissen, als dass die Position der Schweiz trotz Stimmrechtsgruppe schwieriger werden wird; dass die Schweiz entweder eine grössere Gruppe gewinnen muss oder aber mit der EU in Diskussionen einsteigen muss, wenn sie ihre Rolle in diesen Gremien behalten will.

Das waren nur einige kurze Hinweise auf die Zukunft. Die Zukunft wird ganz sicher das Risiko und teilweise auch das richtige Rezept beinhalten, dass mehr reguliert wird und dass international mehr kooperiert wird. Wenn die Schweiz sowohl als Standort, aber auch als mitgestaltendes Land ihren Platz behalten will, dann muss sie intensiv an dieser Zukunft mitarbeiten. Und ich bin überzeugt, dass unser Finanzminister gewillt ist, die Interessen der Schweiz in diesen Debatten und in diesen Gremien entsprechend einzubringen.