Wissenschaft

Zulassung der Präimplantationsdiagnostik – Stand der Arbeiten

Interpellation von Felix Gutzwiller, eingereicht am 19.Dezember 2008

Die Interpellation hat ja eigentlich eine Antwort auf die Frage verlangt, wo das Projekt steht. In dem Sinne kann man es bei diesem Punkt kurz machen. Das Projekt wurde ja in die Vernehmlassung gegeben – Sie wissen das -, und dafür bin ich dem Bundesrat dankbar. Allerdings muss man sagen, dass das Verfahren, nachdem wir – die beiden Kammern – das Verbot im Jahre 2005 schon aufgehoben hatten, doch etwas lange ging, auch wenn man bedenkt, dass die Sache komplex ist. Wir haben jetzt aber immerhin ein Projekt, und dafür bin ich dankbar.

Allerdings – und deshalb gestatte ich mir jetzt hier in der Interpellationsbehandlung eine kurze Bemerkung – ist das Projekt vielleicht doch sehr eng gefasst, wie eine erste Wertung zeigt. Natürlich werden wir jetzt die Vernehmlassung abwarten müssen; dieser Prozess läuft. Ich gestatte mir aber doch, darauf hinzuweisen, dass die Regelung nicht nur eng ist. Sie ist so eng, dass sie eigentlich einem Verbot doch sehr nahekommt. Ich würde gerne schnell drei Punkte erwähnen, die aus meiner Sicht zumindest in den nächsten Phasen – Vernehmlassung und dann definitive Botschaft – noch einmal überdacht werden sollten.

Der erste Punkt ist der Umfang dessen, was geregelt wird, oder – wenn Sie so wollen – das inhaltliche Konzept: Was darf man in der Präimplantationsdiagnostik in der Zukunft machen? Da geht der Vorentwurf von einem Konzept aus, das in der Präimplantationsdiagnostik, also vor dem Einpflanzen des Embryos, im Prinzip weniger zulässt, als was später im Leben des Embryos, nämlich nach der Einpflanzung, während der Schwangerschaft im Rahmen der sogenannten Pränataldiagnostik, heute gemacht werden darf. Nun sind, das ist mir klar, diese Methoden durchaus teilweise strittig. Aber wenn etwas auch bioethisch doch gesichert ist, dann ist es das, dass die Schutzwürdigkeit des Embryos mit der Zeitdauer zunimmt. Also scheint es mir doch sehr schwer nachvollziehbar, weshalb später Dinge getan werden dürfen, die früher im Leben des Embryos nicht möglich sind. Diese Dinge betreffen beispielsweise genetische Untersuchungsverfahren, die in die Richtung von Screenings gehen, sie betreffen Untersuchungen im Bereich etwa der Trisomie; da gibt es natürlich Grauzonen: Was ist dort eine schwere Krankheit, was ist es nicht? Aber diese Dinge bleiben alle verboten. Es bleiben auch Konzepte verboten, die in Richtung „Retterbabys“ gehen; ich will hier nicht in medizinische Details gehen. Sie haben vielleicht diese Woche in einer der populären Zeitschriften der Schweiz über diesen Fall gelesen.

Alle diese Dinge bleiben ausgeschlossen, obwohl sie heute ganz klar zum Arsenal der entsprechenden medizinischen Betreuung von Paaren mit Fruchtbarkeitsproblemen gehören. Die Indikation, wenn Sie so wollen, bzw. der inhaltliche Rahmen bleibt also doch sehr, sehr eng.

Ich komme zum zweiten Punkt: Eine erste Sichtung des Vorschlages zeigt, dass er recht bürokratisch ist. Grundlage ist nicht ein autonomer Entscheid der Paare und der Ärzteschaft, sondern ein Meldeverfahren an das BAG, das bis zu 60 Tagen Zeit hat, um einen Entscheid zu fällen. Es ist ein Meldeverfahren, das in der Medizin ziemlich einzigartig ist und das wir auch nachher, in der Pränataldiagnostik, nicht kennen und das – ich glaube, das kann man unschwer voraussagen – über kurz oder lang zu einer administrativ gefestigten Liste führen wird, einer Liste von Dingen, die man tun darf, und von Dingen, die man nicht tun darf. Das ist etwas, was wir im schweizerischen Medizinalsystem bisher mit Erfolg verhindert haben, denn gerade diese Dinge sind ja in einem hochkomplexen Geflecht von Auseinandersetzung zwischen dem Paar und der Ärzteschaft zu entscheiden. Man kann sich nicht vorstellen – auch ich glaube das nicht -, dass dieser Entscheid wirklich sozusagen von Bern aus gefällt werden kann.

Der dritte Punkt betrifft dann eine ganze Reihe von weiteren bürokratischen Verfahren, etwa im Bewilligungsbereich, die wiederum schärfer sind als die heutigen Bewilligungen im Pränataldiagnostikbereich; ich erspare Ihnen diese Details. Ich glaube, ich darf zum Schluss noch darauf hinweisen – und das scheint mir für die Zukunft wichtig -, dass hinter dieser sehr engen Auslegung dessen, was in der Präimplantationsdiagnostik in Zukunft gemacht werden soll, natürlich ein enges Gesetz steht, das Fortpflanzungsmedizingesetz, das wiederum auf einem Verfassungsartikel, Artikel 119, beruht, der den modernen Gegebenheiten der Fortpflanzungsmedizin, aber auch der bioethischen Diskussion ebenfalls nicht mehr entspricht. In der Schweiz dürfen nämlich – Sie wissen das – nur so viele Eizellen befruchtet werden, wie sofort eingesetzt werden können. Dies ist heute wirklich überholt, muss man sagen, indem erstens diese zahlenmässige Limite wirkliche Untersuchungen nach gewissen schweren genetischen Krankheiten verhindert, denn manchmal genügen drei befruchtete Eizellen nicht. Zweitens führt das Gebot, alle befruchteten Eizellen einzupflanzen, dazu, dass Mehrlingsschwangerschaften entstehen und dass die Schwangerschaftsraten schlechter sind, als wenn man eine Auswahl aus mehreren entsprechend befruchteten Eizellen hat, wie das heute in den grossen Zentren im Ausland gang und gäbe ist.

Das führt dazu – und ich glaube, wenn wir nicht nachbessern, wird es auch in Zukunft dazu führen -, dass Schweizer Paare ins Ausland gehen müssen. Aus meiner persönlichen Optik bleibt es unter dem Strich dabei, dass wir nicht darum herumkommen werden, die Debatte über das Fortpflanzungsmedizingesetz wieder neu zu eröffnen. Das geht über die Präimplantationsdiagnostik hinaus. Ich persönlich bin davon überzeugt, dass wir uns auch diesen Artikel 119 der Bundesverfassung, insbesondere den Satz bezüglich des sofortigen Einpflanzens der produzierten Eizellen, mit der gebotenen Sorgfalt noch einmal genau ansehen müssen. Ich gehe jedenfalls davon aus, dass wir hier in Zukunft Handlungsbedarf auf Gesetzes- und Verfassungsebene haben.