Wissenschaft

Forschung am Menschen. Bundesgesetz

Wortmeldung in der Ständeratsdebatte vom 15. Juni 2011

Auch ich empfehle Ihnen, auf diese Vorlage einzutreten. Dieses Gesetz ist der Vollzug des Verfassungsartikels, der beim Stimmvolk ja mit 77 Prozent Jastimmen grossen Anklang gefunden hat. Heute geht es nun darum, das Thema gesetzlich zu fassen. 
Dies ist ein Gesetz, das für den Forschungsplatz Schweiz, insbesondere natürlich für die Forschung am Menschen, eine zentrale Bedeutung hat. Im Zentrum steht für mich dabei die klinische Forschung, die hiermit entsprechende Rahmenbedingungen erhält, sodass sie auch weiterhin international wettbewerbsfähig ist. Die Schweiz ist im Bereich der klinischen Forschung sicher eines der führenden Länder, das zeigen alle Indikatoren. In gewissen Bereichen aber verlieren wir unsere Spitzenposition langsam. Das hat teilweise mit den schwerfälligen Strukturen im Land zu tun. Eines der Themen, die hier angeschnitten werden, sind die Ethikkommissionen. Bei Multizenterstudien, die beispielsweise in sieben Ländern ablaufen und in der Schweiz drei oder vier Universitäts- oder Kantonsspitäler einschliessen, brauchte es bislang in allen Kantonen entsprechende ethische Begutachtungen. Das hat zu Verzögerungen und zu Problemen in der internationalen Koordination geführt. Das wird mit diesem Gesetz, beispielsweise mit den Leitkommissionen im Bereich der ethischen Beurteilung, deutlich verbessert. Insgesamt bringt dieses Gesetz also eine positive Neuerung für die Rahmenbedingungen für die Forschung, insbesondere die klinische Forschung, in der Schweiz. 
Ceci dit, gibt es gleichwohl zwei, drei kritische Punkte, auf die in der Detailberatung zu achten ist. Das Gesetz ist nicht ganz frei von einer Tendenz zur Bürokratisierung – auch eine der potenziellen Barrieren und Behinderungen der Forschung. Ich sehe diese Tendenz in drei Bereichen:

Erstens ist die Frage der Ausdehnung der ethischen Begutachtung auf sämtliche Forschungsgegenstände nach wie vor nicht ganz geklärt. Ich werde dazu in der Detailberatung eine Bemerkung machen. Das ist ein Thema. Wenn man das Milizsystem der ethischen Begutachtung in der Schweiz kennt, dann weiss man, dass dieses sehr bald an seine Grenzen stossen wird. Es ist deshalb wesentlich, die Begutachtung auf klinisch-interventive Studien zu konzentrieren und nicht etwa sämtliche psychologischen oder soziologischen Studien einzuschliessen, die sich mit der Gesundheit des Menschen befassen. Hier besteht noch eine gewisse Unschärfe.

Zweitens wird eine gewisse Bürokratisierungstendenz darin sichtbar, dass versucht wird, alles zu registrieren. Heute gehören öffentliche Register ohne Zweifel zum Standard in der internationalen klinischen Forschung. Klinische Studien, im Fachterminus „clinical randomized trials“, sollen registriert sein, sollen offen sein. Wenn man aber die Absicht hätte, sämtliche Forschungsprojekte, wiederum etwa jene in den Sozialwissenschaften, zu registrieren, würde das zu einer unverhältnismässigen Bürokratisierung führen.

Auf den dritten Punkt, die Ombudsproblematik, werden wir zurückkommen.

Insgesamt schaffen wir also mit diesem Gesetz ohne Zweifel bessere Rahmenbedingungen für den Forschungsplatz, aber ein gewisses Caveat, was die Tendenz zu einer Bürokratisierung in den drei angesprochenen Bereichen anbelangt, ist angebracht.