Energie

Kernenergie und alternative Energien

Wortmeldung in der Ständeratsdebatte vom 28. September 2011

Ich möchte vorerst dem Bundesrat danken, dass er meine Motion 11.3651, die hier zur Diskussion steht, in den Ziffern 2, 3 und 4 zur Annahme empfiehlt. Auf Ziffer 1 komme ich gleich noch zurück. 
Ich spreche auch noch zu meinem Postulat 11.3307 in Block 1.3, das eine ähnliche Thematik behandelt. Der Bundesrat beantragt die Annahme auch dieses Postulates. 
Sie haben es festgestellt, und die Vorredner haben das auch schon angesprochen: Ein entscheidendes Thema des Kompromisses, den die UREK-SR vorlegt, ist die Frage des sogenannten Technologieverbotes. Das ist der Inhalt von Ziffer 1 meiner Motion, die hier vom Bundesrat bestritten wird. Als Nichtkommissionsmitglied möchte ich einerseits mit der Anerkennung der grossen Arbeit beginnen, die man hier für den Versuch geleistet hat, zu einer gemeinsamen Haltung zu kommen. Andererseits habe ich ein gewisses Bedauern, dass man in der entscheidenden Frage, was denn zukünftige technologische Innovationen sind, keine klare Definition gefunden hat. Offensichtlich sind auch aus der Verwaltung – vom Bundesamt für Energie und von anderen – keine entsprechenden klärenden Hilfen gekommen. Dabei verstehe ich, dass der Prozess der Innovation per se so ist, dass nicht immer im Voraus definiert werden kann, was alles an Neuem entsteht. Ich denke gleichwohl, dass man hier den Versuch hätte unternehmen sollen, klarer zu definieren, was das heisst. Denn für mich zumindest ist klar, dass „neue Technologien“ nicht heissen kann, dass es um marginale Verbesserungen der heutigen Reaktortechnologie geht.

Ich denke, die Debatten seit Fukushima haben klargemacht, dass der Handlungsbedarf in der Energiepolitik unbestritten ist; er wird von allen Seiten attestiert. Ich möchte zu Beginn kurz darüber nachdenken, welche Ziele eine zukünftige Energiepolitik anstreben sollte, denn das Thema meiner Motion ist ja die zukünftige Energiekonzeption des Bundesrates, über die wir noch viel sprechen werden. 
Ich habe es schon verschiedentlich gesagt, und ich möchte es auch hier noch einmal betonen: Für mich geht es nicht einfach um einen Umstieg, wie jetzt vielerorts erwähnt; für mich geht es um einen Doppelumstieg, um präzis zu sein. Es wird uns längerfristig nicht helfen, wenn wir eine Politik definieren, die nur und ausschliesslich die nuklearen Probleme und die nuklearen Risiken im Auge hat, nicht aber auch die klimapolitischen. Es besteht zurzeit ein gewisses Risiko, dass unter dem Eindruck von Fukushima die klimapolitischen Themen in den Hintergrund treten. Für mich ist klar, dass die recht ehrgeizigen klimapolitischen Ziele, die wir uns gerade auch in diesem Rat gesetzt haben, integraler Teil der Zielsetzung sein müssen, dass es also darum geht, und das erwarte ich vom Bundesrat, eine Strategie zu definieren, die sowohl die nuklearen Risiken als auch die klimapolitischen, sprich die fossilen, im Auge behält. Was ganz sicher nicht angehen kann, ist, dass wir bei einem Umstieg einfach vermehrt beispielsweise Strom aus Kohlekraftwerken in Osteuropa oder andere fossile Energien importieren. Eine nachhaltige Energiepolitik muss diese beiden Zielsetzungen im Auge behalten.

Zudem muss die Energiepolitik für die Bevölkerung und die Wirtschaft sichere, wirtschaftliche und nachhaltige Formen der Energie bereithalten. Es gehört zu den wichtigen Aufgaben der Politik, für diese Sicherheit in der Versorgung zu sorgen; das erwartet auch unsere Bevölkerung. 
Was sollten denn für diese jetzt kurz skizzierte Politik des Bundesrates die Beurteilungskriterien sein? Welches sollen die Energieformen sein, die in Zukunft akzeptabel sind und in eine solche Energiepolitik gehören? Ich möchte hier festhalten, dass für mich die ganz konsequente Berücksichtigung der Kostenwahrheit und der Risiken eine ganz entscheidende Grundlage ist. Ich habe kein Apriori, keine ideologisch fixierte Meinung bezüglich schlechter oder weniger schlechter Energieformen. Was mich interessiert: Entscheiden wir diese zukünftige Energiepolitik auf der Grundlage einer konsequenten Berücksichtigung der Kostenwahrheit und der Risiken, und zwar für alle Energieformen?

Zu dieser Vollkostenrechnung gehören selbstverständlich beispielsweise die CO2-Emissionen, die Subventionen, die Versicherungen, die angesprochen wurden, inklusive Rückversicherung, der Rückbau, die Entsorgung, die Endlagerung, die Stilllegung, aber auch Themen wie Biodiversität und geopolitische Verfügbarkeitsrisiken, die für unser kleines Land sehr entscheidend sind. Das erwarte ich vom Bundesrat, dass er eine derartige Analyse klar vornimmt und dann entsprechend auch unterscheidet. Für mich ist es beispielsweise bei der Frage der Auslandabhängigkeit ziemlich entscheidend, ob es um norddeutschen Windstrom oder um Öl aus Nordafrika geht. Schliesslich ist es wichtig, dass diese Vollkosten eben im Preis der Energie integriert sind. Das ist heute nicht der Fall. Wenn die Vollkosten wirklich im Preis integriert sind, dann entsteht Planungssicherheit für alle Partner, und wir haben Lösungen, die eben auch innerhalb des Marktes einen klaren Rahmen finden, die Anreiz bieten für Investitionen und dann im Wettbewerb auch wirtschaftlich umgesetzt werden können. Gleiche Bewertungskriterien bei allen Formen sind für mich bei dieser Strategie also entscheidend. 
Bezüglich der schon angesprochenen Ziffer 1 meiner Motion ist damit aufgrund dieser Kriterien die Frage nach den zukünftigen Energieformen gestellt. Aus meiner Sicht – Herr Schwaller hat es vorher betont – ist es falsch, in dieser Hinsicht Technologieverbote auszusprechen. Aus meiner Sicht muss klar sein, dass es, wenn wir alle Energieformen gleich bewerten, keine A-priori-Technologieverbote gibt. Ich habe es schon kurz erwähnt, die Frage ist: Was ist denn eine neue Technologie in diesem Bereich? Aus meiner Sicht ist es, soweit heute absehbar, ziemlich klar, dass das aufgrund der Risiken im Bereich der Strahlung, aber auch im Bereich der Abfallbewirtschaftung keine Reaktoren des Typs Kernspaltung sein können. Aber für mich ist offen, ob in der Zukunft beispielsweise Kernfusionsreaktoren eine Alternative sein können. Ich erinnere daran, dass mit dem Iter-Reaktor, an dem die Schweiz massgeblich beteiligt ist und für den wir massgebliche Kredite mit beschlossen haben, der bisher grösste Versuchsreaktor im Bereich der Fusionsforschung im Bau ist. Allerdings ist auch hier klar, dass eine kommerzielle Nutzung frühestens, so wird geschätzt, ab 2050 möglich sein wird. 
Es ist aber klar, dass solche Optionen, wenn sie sich denn wirklich anbieten, in Zukunft geprüft werden müssen. Ob die neueste Formulierung der UREK-SR so gemeint ist, ist vielleicht eine Interpretationsfrage. Meine Interpretation ist klar: Wenn man sagt, es gebe keine Technologieverbote, dann muss das heissen, dass dannzumal aufgrund von Gesamtbeurteilungen beispielsweise solche Fusionsentwicklungen möglich sind. Es bleibt auch anzumerken, dass die Politik über solche Projekte, wenn sie denn wirklich tauglich und wirtschaftlich sind, so oder so sprechen wird. 
Lassen Sie mich zum Schluss einige der Hauptlinien skizzieren, die die bundesrätliche Energiepolitik aus meiner Sicht umsetzen müsste:

1. Vorab wäre etwas zur Energieeffizienz zu sagen. Die Steigerung der Energieeffizienz bleibt auch eine Voraussetzung für die Entkoppelung von Wirtschaftswachstum und Energieverbrauch, und natürlich trägt sie zur Verminderung der Auslandabhängigkeit bei. Das ist eine wichtige Thematik; wir werden nachher ja bei verschiedenen VorstössenGelegenheit haben, etwas zum Thema der Steigerung der Energieeffizienz beizutragen, deshalb gehe ich nicht weiter auf Details ein.

2. Wir müssen sämtliche nutzbaren und erneuerbaren Energieformen nutzen und dabei ihr heutiges und zukünftiges Potenzial voll ausschöpfen. Ich werde das bei einem späteren Block noch ausführen. Ich verstehe nicht ganz, weshalb der Bundesrat z. B. meine Vorstösse zur Geothermie, die gerade in der Schweiz eine sehr interessante Technologie sein könnte, ablehnt. Ich glaube, in solchen Bereichen muss die Schweiz wirklich Technologieleader sein wollen, das ergäbe Marktchancen weit über das Land hinaus.

 

3. Ein Bereich, der ebenfalls ausserordentlich wichtig ist und in der Strategie berücksichtigt werden muss, ist das Thema der intelligenten Distribution und Speicherung. Ich bin beeindruckt von der Aussage von Frau Staiblin, der Chefin von ABB, dass 80 Prozent des produzierten Stroms gar nie in unseren Steckdosen ankommen, weil derart viele Distributions- und Speicherprobleme bestehen. Das zeigt, dass massive Investitionen in die Speicherung und in die Netze sehr wichtig sind. Die Schweiz ist da in einer guten Position, z. B. mit ihren Wasserkraftwerken. Wie Sie wissen, sind in unseren Berggebieten erste Erfahrungen gemacht worden, die zeigen, dass über die Speicherung der Wasserkraftwerke Strom aus erneuerbaren Energien dann verfügbar gemacht werden kann, wenn er gebraucht wird.

 

4. Ich glaube, dass der Bundesrat mit dieser Strategie wirklich dafür sorgen muss, dass wir zu einer Erfolgspositionierung der Schweiz im Bereich der wirtschaftlichen Auswertung der neuen Technologien kommen. Energieeffiziente Produkte und Produkte zur Gewinnung von neuen Energien werden weltweit an einem grossen Wachstumsmarkt teilhaben können, und für die Schweizer Industrie, davon bin ich überzeugt, ist es ganz wichtig, dass sie sich da und dort als Marktleader in diesen Bereichen positionieren kann, wie das etwa zu Beginn der Solartechnologie kurz einmal der Fall gewesen ist.

Ich möchte schliessen. Aus meiner Sicht geht es heute darum, dass wir ein klares Signal für Investitionen und Entwicklungen bei erneuerbaren Energien geben. Aus meiner Sicht hat die ETH Zürich in ihrer kürzlichen Analyse gezeigt, dass ein Doppelumstieg, wie ich ihn eingangs beschrieben habe, machbar und wirtschaftlich tragbar ist; vielleicht nicht bis 2020, 2025 oder 2030, vielleicht wird es 2035. Aber diese ehrgeizige Zielsetzung, die dort skizziert ist, sollten wir uns zu eigen machen, davon bin ich überzeugt, und damit ein klares Signal geben, dass wir in diese Richtung arbeiten wollen. Dabei ist es ebenfalls meine Überzeugung, dass wir aufgrund von vollständigen Bewertungskriterien über alle Risiken und Nutzen bei allen Energieformen für neue Technologien offen sein sollten. Ich glaube weiter, dass wir im Bereich der Forschung und Entwicklung massive Anstrengungen unternehmen sollten; dass die Schweiz grosse Chancen hat, sich bei einer solchen zukünftigen Energiepolitik als Technologieleader zu positionieren; dass wir mit den staatlichen Rahmenbedingungen, die die Marktkräfte wirken lassen, dafür sorgen müssen, dass Kostenwahrheit und die Internalisierung der Kosten in den entsprechenden Prozessen sichergestellt sind, damit die Preisanreize auch wirklich wirken; und schliesslich, dass wir als Land diese Chance so nutzen, dass wir auch an den weltweiten Wachstumsmärkten in diesen Bereichen teilhaben können.