05. August 2015

Der beliebte Empiriker

Ständerat Felix Gutzwiller wünscht sich eine stärker auf Fakten basierte Politik – und weniger Ideologie.

«Es macht einen grossen Unterschied, ob man in einer Proporz- oder Majorzwahl antritt», sagt Gutzwiller. «Will man Ständerat werden, darf man nicht derart stark polarisieren wie ein Nationalrat. Denn die Mehrheit, die einen wählt, sind nicht die eigenen Parteigänger.» Die Unterschiede zeigten sich auch in den Kammern selber, sagt Gutzwiller. Er spricht aus Erfahrung, denn er sass von 1999 bis 2007 im Nationalrat, dann gelang ihm der Sprung ins Stöckli: «Im Ständerat geht es viel weniger darum, die Parteiideologie zu vertreten. Hier beginnt man seine Rede nie mit: ‚Wir meinen.’»

Das Unideologische entspricht Gutzwiller, auch charakterlich. Er ist kein polternder Politiker. Er macht keinen Lärm, auch wenn er meint, dass er durchaus auf den Tisch klopfen könne, falls es nötig sei. Mit seiner überlegten und ruhigen Art war er auf Konsens bedacht und schaffte es, diesen herzustellen, was er als Fraktions- und Vizefraktionschef der FDP bewies. Er ist im besten Sinne des Wortes – ein Netter.

«Ich nehme für mich in Anspruch, nicht primär ideologisch, sondern auf Evidenz gestützt zu argumentieren», sagt der emeritierte Professor. Erkenntnisse, Empirie und Theorien: Das sind die Pfeiler, auf die sich Politik stützen sollte. «Es gibt viele Politiker, die unbelastet von Fakten ihre Ideologie als richtig vertreten. Das ärgert mich genauso wie die Arroganz der Macht: Nur weil man über eine Mehrheit verfügt, drückt man Dinge durch und ignoriert dabei Fakten. Das mag ich nicht. Und das tut auch unserem System nicht gut.»

Politik sei die Fortsetzung der Medizin mit anderen Mitteln, zitiert Gutzwiller: «Zuerst erfolgt eine saubere Diagnostik, dann erstellt man das Rezept.» Doch wer so analytisch vorgeht, der gehört doch eigentlich gar nicht in eine Partei? Gutzwiller lacht: «Ja, eigentlich müsste man eine eigene Partei gründen .. .» Doch für ihn standen Freiheit und Verantwortung – ‚die Themen des Liberalismus‘ – immer im Zentrum: «Wie kann man angesichts der Regeln, die für ein Zusammenleben notwendig sind, ein Optimum an individueller Freiheit und Selbstverantwortung bewahren? Diese Frage hat mich interessiert. Daher war der Weg in die FDP für mich klar.» Gutzwiller, der sich vor allem in der Gesundheits-, Drogen-, Wissenschafts-, Bildungs- und in den letzten Jahren in der Aussenpolitik einen Namen machte, bewegte sich ziemlich genau in der Mitte des politischen Spektrums. Innerhalb der FDP schätzt er sich gesellschaftspolitisch eher links, wirtschaftspolitisch rechts ein, in der Aussenpolitik setzt er sich für eine Öffnung der Schweiz, aber nich für einen Beitritt zur EU ein.

Auszug aus dem Artikel in der NZZ

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